Halo 10-2020

6 | HALOKAZ Vor 120 Jahren Das Jahr 1900 wurde von Papst Leo XIII. zum Heiligen Jahr ausge- rufen. Es sollte wie ein Jubiläum an die Geburt Christi vor 1900 Jahren erinnern. Deshalb hatte der Papst zu Pilgerreisen aufgerufen, die zu den wichtigsten Pilgerstätten der katholischen Christenheit führen sollten, nämlich zur Heiligen Stadt Rom und ins Heilige Land Palästina mit seiner Hauptstadt Jerusalem. Dieser Aufruf führte zur ersten deutschen Männer-Wallfahrt zu diesen Pilgerstätten. O rganisiert wurde die Reise vom Erzbistum Köln, des- sen Erzbischof Dr. Hubertus SIMAR auch Vorsitzender des deut- schen Palästina-Pilger-Vereins war. Für diese Reise hatten sich insge- samt 502 Männer aus ganz Deutsch- land angemeldet. Zwei von ihnen kamen aus dem Dorf Borsum bei Hildesheim. Es waren der Schuh- machermeister Theodor LINKOGEL und der Harzkäsefabrikant Heinrich FIENE. Im Pilgerverzeichnis hatten sie die Nummern 394 und 395. Die Reise dauerte fast vier Wo- chen und begann mit einem Got- tesdienst im Kölner Dom am Sonn- tag, dem 25. September. Sie endete ebenfalls inKöln am20. Oktober. Die Reise kostete in der besseren Klasse 500 Reichsmark und in der einfa- chen 350 Reichsmark. Im Preis war die Unterbringung, die Verpflegung und der Bahn- und Schiffstransport von und bis Köln enthalten. Es gab nur Unterschiede bei der Unterbrin- gung, bei der Verpflegung und bei den Bahn- und Schiffskabinen je nach Buchung. Die Fahrt nach Köln und zurück hatte jeder Teilnehmer selbst zu organisieren. Zunächst möchte ich die beiden Borsumer kurz vorstellen. Theodor LINKOGEL Im Jahre 1876 war Theodor LIN- KOGEL Besitzer einer Hofstelle in der Borsumer Langen Straße Nr. 13 geworden. Er war Schuhmacher- meister und verheiratet, allerdings blieb seine Ehe kinderlos. Im Jahre 1887 hatte er neben seiner Schuh- macherwerkstatt auch einen Ver- kaufsladen für Schuhe eröffnet. Handwerk und Schuhverkauf flo- rierten offensichtlich gut, denn bald nannte man ihn im Dorf Mil- lionen-Schuster. Er war mit Hein- rich FIENE befreundet, als er mit ihm auf Pilgerreise ging. Theodor LINKOGEL wurde nur knapp 62 Jah- re alt. Er starb am 13. Februar 1925. Sein Nachfolger war Heinrich NIELE, der vor demHaus eine Tankstelle er- richtete und im Laden Öle und Fet- te für Motoren aller Art verkaufte. Auch übernahm er für kleinere Bau- ern das Pflügen und das Dreschen. Heinrich FIENE Heinrich FIENE wurde am 16. Januar 1868 geboren. Seine Eltern waren Franz FIENE und Johanna Cathari- na Sophia, geborene DEVERS, aus Lühnde. Er hatte noch zwei Schwes- tern, von denen eine schon als Kind gestorben war. Nur seine Schwester Hermine überlebte. Beide wurden dann Eltern von zwei Großfamilien, in denen die unglaubliche Zahl von 31 Kindern geboren wurde. Sein Va- ter hatte nach der Verkoppelung ein Grundstück in der Schillerstra- ße/Ecke Goetheweg erworben und hier sein Haus und seinen Gewerbe- betrieb aufgebaut, der aus Arbeiten für die Landwirtschaft mit seinen fahrbaren Dampfmaschinen und aus der Herstellung von Harzkäse bestand. Den Beginn dieser Fab- rikation gab er mit dem Jahr 1863 an. Heinrich FIENE wurde in diesen Betrieb hineingeboren. Er heiratete mit 21 Jahren am 18. August 1889 seine 19-jährige Frau Catharina, ge- borene ERNST. Mit ihr entstand eine Großfamilie mit 16 Kindern und mit ihr konnte er sogar das seltene Fest der Eisernen Hochzeit feiern. Am 20. März 1900 wurde ihr 9. Kind, der Sohn Karl geboren, der aber schon am 3. Mai im Geburtsjahr gestorben ist. Vielleicht war es dieser Tod, der Heinrich FIENE zur Pilgerreise be- wogen hat. Der Ablauf der Pilgerreise Nach dem Gottesdienst im Kölner Dom begann die Pilgerfahrt mit der Eisenbahn von Köln nach Genua. Dort erfolgte die Einschiffung auf den Dampfer AMPHITTRITE, der sie zum Hafen Civitavecchia brachte. Die Weiterfahrt ging dann mit der Eisenbahn bis Rom. Nach Besichti- gungen vom Petersdom und ande- ren Kirchen war hier die Audienz bei Papst Leo XIII. der Höhepunkt. Mit der Bahn zurück zum Schiff und mit diesem nach Palästina dauerte die Fahrt 4 Tage, bis man Jaffa erreichte. Nach der Ausschiffung ging es mit dem Zug weiter nach Jerusalem, wo ein großes Programm mit Besichti- gungen und Gottesdiensten vorbe- reitet war. Ausflugsfahrten nach Bethanien, zum Jordan und nach Bethlehem gehörten dazu sowie die Grund- steinlegung einer deutschen Kirche. Dabei war auch ein Treffen mit dem deutschen Konsul vorbereitet. Die Rückreise erfolgte wieder mit der Bahn bis Jaffa und von dort weiter mit dem Schiff. Fünf Tage dauerte die Schiffsreise bis Genua. Von dort ging es wieder mit der Eisenbahn bis nach Köln zum Abschluss-Got- tesdienst. Erinnerungen an die Reise Diese Pilgerreise war sicherlich lan- ge das Dorfgespräch in Borsum. Im Heimatmuseum der Gemeinde gibt es davon noch einige Erinne- rungsstücke: Einen Rosenkranz, dessen Perlen aus Kichererbsen bestehen, einer typischen Hülsen- frucht aus Palästina. Auch gibt es noch eine Postkarte, auf der ge- trocknete Blumen und Pflanzen aus dem Heiligen Land aufgeklebt sind. Sogar ein Foto ist noch vor- handen, auf dem die beiden Bor- sumer auf Kamelen sitzen. Dieses Foto ist im Kalender des Heimat- vereins Borsumer Kaspel für das Jahr 2020 zu sehen. Am umfangreichsten allerdings ist ein Buch, das über diese Reise veröffentlicht wurde. Ein Exemplar befand sich im Nachlass von Hein- rich FIENE und ist nun im Besitz von Marlies FIENE. Sie gewährte uns Borsumer Heimatfreunden einen Einblick in das Buch, in dem viele Fotos und Dokumente der Reise zu sehen sind. R. Schrader Titelseite des Pilger-Buches Theodor LINKOGEL Heinrich FIENE 05127 700 für Sie vor Ort! Krankenfahrten sitzend, auch im eigenen Rollstuhl! Taxi nah und fern … auch in Adlum Die beiden Borsumer auf Kamelen

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