20 | HALOKAZ Zum Jahreswechsel: Harsum feiert 1000. Geburtstag mit Auftakt am Neujahrstag Pünktlich zum Jubiläumsauftakt „1000 Jahre Harsum“ weisen Werbebanner an den Ortseingängen auf die Festlichkeiten hin. „Ein Ort mit Geschichte“ heißt es in großen Lettern. Anno 1022 wurde Harsum erstmals in einer Schenkungsurkunde von Bischof Bernward an das Hildesheimer Kloster Sankt Michaelis erwähnt. Am Neujahrstag sprachen Ortsbürgermeister Reinhard Wirries, Pfarrer Dr. Roland Baule und Ortsheimatpfleger Siegfried Mehwald vor der St.-Cäcilia-Pfarrkirche Grußworte an die Bevölkerung und eröffneten damit das Jubiläumsjahr 2022. Das frühere Harsumer Gutsgelände zählte vor rund einem Jahrtausend als „Besitztum Bischof Bernwards mit herrschaftlichem Haus“. Den Beweis dafür, dass es bereits vorher hier schon Ansiedlungen gab, belegen die zahlreichen frühzeitlichen Funde aus dem Zeitraum vor einigen tausend Jahren. 1985 hob Johannes Schaper am Tannenkamp ein recht umfangreiches Scherbenmaterial von Tongefäßen und einem Steinbeil aus. Nachgrabungen brachten dann weitere Schätze aus der Zeit der Bandkeramiker an das Tageslicht. Archäologen, darunter der Braunschweiger Bezirksarchäologe Dr. Michael Geschwinde, sprachen von einem Glücksfall für Harsum. Auch bei der Erschließung des Neubaugebiets Ährenkamp am „Besitztum Bischof Bernwards“ – Ein Ort mit Geschichte nördlichen Ortsrand stieß vor fünf Jahren ein Archäologen-Team unter der Leitung des Hannoverschen Bezirksarchäologen Friedrich Wilhelm Wulf auf einen Brunnen und Scherben von Geschirr, datiert auf die Zeit vor 2700 Jahren. Balken, auf denen hier einst Holzhäuser standen, haben sich im Laufe der Jahrhunderte aufgelöst und sind heute nur noch als Verfärbungen im Boden erkennbar. Seit dem Kreisheimattag 1993 mit 7500 Gästen und der Einweihung des Gedenksteins am Thie zur Erinnerung an die Schlacht bei Dinklar anno 1367 sowie der nachfolgenden 975-Jahr-Feier mit noch mehr Besuchern entwickelte sich im Dorf eine Kultur-Euphorie. Zu den Aktivitäten zählten auch die Gründungen des Heimat- und Kulturvereins sowie der Heinrich-Freitag-Stiftung. Reiheleute-Schützenscheibe „Vivat Harsumer Männer“ Über Jahrhunderte lang bestimmten hier die Reiheleute über Gemeindeangelegenheiten im Gemeindehaus am Thie. Dazu gehörten Pflichten für die Kosten des Feuerlöschwesens und das Pfarrhaus, Abgaben für Flachs- und Getreidezehnten sowie vom Reihe- oder Rauchhuhn, je eines pro Schornstein im Haus. Auch heute noch schießen 110 Reiheleute, die im Besitz von 144 örtlichen Reihestellen sind, ihre eigene Schützenscheibe „Vivat Harsumer Männer“ ein jedes Jahr zur Erinnerung an die Schlacht bei Dinklar am 3. September 1367 aus. Als einzige Gemeinde im Stift Hildesheim konnte dieser Ort seinen Pfarrer selbst wählen. In einer Urkunde von 1588 heißt es, „dass dieMänner zu Harsum seit alters her das Recht haben, ihren Pfarrer selbst zu bestimmen“. Dieses Wahlrecht soll der Bischof Gerhard nach Überlieferungen für die Tapferkeit auf dem Streitacker zwischen Kemme und Dinklar erteilt haben. Harzer Käse und Verblend- und Radialsteine mit Stückzahlen in Millionenhöhe Das Dorf hat ein großes Stück Geschichte auf den Gebieten Kirche, Handwerk, Landwirtschaft und Sport aufzuweisen. Vor allem imLaufe der letzten 150 Jahre registrierte Harsum eine Fülle an Besonderheiten, denn nirgendwo in Deutschland gab es in einem anderen Ort dieser Größenordnung 43 Käsebäcker-Betriebe, die den begehrten „Harsumer Käse“ herstellten und teils sogar mit Lieferungen die Nachbarländer und die USA versorgten. In der Blütezeit der Tonwerke Sänger & Co. mit Gleisanschlüssen an der Bahnstrecke Hildesheim–Lehrte sind bedeutende Bauwerke im In- und Ausland mit den damals bekannten klinkerharten „Harsumer Verblend- und Radialsteinen“ mit Stückzahlen in Millionenhöhe errichtet worden. Dazu gehörten der Berliner Eispalast, das Hallenschwimmbad Hamburg-Altona, die Holsten-Brauerei, Gasanstalt Hamburg, das Rheinisch-Westfälische E-Werk in Essen, die Glasfabrik Helder/Niederlande, das frühere Empfangsgebäude des Hildesheimer Bahnhofs, die Harsumer Zuckerfabrik und das Krankenhaus-Klostergebäude an der Kaiserstraße in Harsum. Sternstunden im Tischtennissport auf nationaler und internationaler Ebene registrierte der TTC Harsum als einer der ältesten deutschen Vereine mit mehreren Weltmeistertiteln im Seniorenbereich, Europa- und Deutschen Meistertiteln sowie Begegnungen gegen die weltbesten Nationalteams im Saalbau Brönnecke am Morgenstern. Zu den größeren 1000-Jahr-Attraktionen gehören im Jubiläumsjahr 2022 das „Heereslager“ am 13. und 14. Mai im Stadion und auf dem angrenzenden Gelände der Grundschule, das dreitägige Zeltfest (9. bis 11. September) sowie der abschließende Kreisheimattag am 8. Oktober auf dem Hofgelände Machtens und Steinmann mit Thieplatz. Text und Bilder: Gerhard Schütte Historisches Dokument von Laienmaler Franz Liekefedt (1837/Wöhle–1918/ Harsum): Abmarsch der Harsumer nach Dinklar Anno 1367, Hildesheimern zu Hilfe. Vor dem Dreifaltigkeitskreuz (links) kniet der Priester und erfleht den Segen für die in den Kampf ziehenden Männer. Die stehen wohlgeordnet in Gruppen, weißgekleidet, mit langen Stangen, zum Abmarsch bereit. Die erste Gruppe trägt Hämmer, Anspielung auf den Schmied von Harsum, die anderen ihre Sensen als Waffe. Neben dem Primissariats-Gebäude (links) steht die alte Harsumer Pfarrkirche vor dem vernichtenden Brand von 1883 imMittelpunkt dieses großen Ölgemäldes. Johannes Heinrich Cordes, Präfekt von Steuerwald, hat dieses barocke Standbild der Gottesmutter 1726 auf einem Sockel amWaldrand in Harsum errichten lassen. 1857 ließ Pfarrer Anton Paasch über dem Standbild eine Kapelle bauen. Exkursion des Kreisheimatbundes in Harsummit dem ehemaligen Ortsheimatpfleger Bernhard Blecker (rechts) auf dem einstigen Eigentum Bischof Bernwards, der das gesamte Areal demMichaeliskloster schenkte. Vorn sind wuchtige Bruchstein-Kolosse aus frühen Generationen zu sehen. Nach wechselvollen Zeiten über Jahrhunderte ging die spätere Domäne zuletzt an den Pächter Karl Philipps über, der diese Hofstelle 1938 kaufte.
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